Wie Weleda die Welt verändert

Ein Interview mit Dr. Stefan Siemer, Leiter des Bereichs Nachhaltigkeit bei Weleda

Weleda ist eine zertifizierte B Corp. Ein Interview über den Zertifizierungsprozess, die hohen Ansprüche der Organisation und die Gründe, die uns zu diesem Schritt bewogen haben.

Was bedeutet „B Corp“ eigentlich?

Stefan Siemer: B Corp steht für „Benefit Corporation“ und ist ein Zertifikat, das Unternehmen für ihre sozialen und ökologischen Leistungen auszeichnet. Vergeben wird es von der Non-Profit-Organisation „B Lab“. Wichtig ist: es werden keine Produkte zertifiziert, sondern das ganze Handeln, die Haltung eines Unternehmens. Es geht um gesellschaftlichen Mehrwert und ökologische Nachhaltigkeit und nicht um Gewinnmaximierung um jeden Preis: Also um Umwelt, Biodiversität, Artenschutz, Menschenrechte, Klimaschutz, Mitarbeitende, Kund:innen. B Lab nennt es sinngemäß: „Business as a force for good“. Das bedeutet so viel wie: „Wirtschaft ist eine Kraft, die Gutes bewirken kann und soll.“ Die weltweite B Corp-Bewegung hat ihren Ursprung in den USA und möchte unseren Planeten zu einem besseren Ort machen.

Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Können Sie diesen Anspruch näher erläutern?

Stefan Siemer: Die B Corp-Community aus jetzt über 7000 Unternehmen weltweit eint der Wunsch, etwas Gutes bewirken zu wollen. In der Wirtschaftswelt kommt diese Haltung einem Paradigmenwechsel gleich. Meistens gilt als Zweck eines Unternehmens, Profite zu erzielen. Das wird natürlich auch in Zukunft so bleiben, aber nicht um jeden Preis oder auf Kosten von Menschen, Tier und Umwelt. Wir bei Weleda leben diese Grundhaltung seit jeher. Deshalb war es nur logisch und konsequent, sich um diese Zertifizierung zu bemühen. Wir mussten dafür die Zweck-Bestimmung in der Satzung unseres Unternehmens, also gleichsam unsere DNA, ergänzen: Dort steht jetzt, dass auch Gemeinwohl und Umweltschutz Unternehmenszweck sind.

Wenn Weleda schon immer entsprechende Werte hochhält – hat sich der Aufwand um das Zertifikat dann überhaupt gelohnt?

Stefan Siemer: Ja, unbedingt! Im Rahmen der Zertifizierung durchleuchtet die Organisation das gesamte Unternehmen. Zum Beispiel welche positive Wirkung wir auf die Gesellschaft haben und es am Ende des Tages eben nicht nur ums Geldverdienen geht und wie wir das belegen können.

Nachhaltigkeit gehört zu unserem Kern, sie ist in unserem Unternehmenszweck verankert: Im Einklang mit der Natur und den Menschen zu sein, ist nur möglich, wenn wir ein verantwortungsvolles und nachhaltiges Unternehmen sind. Inspirationen für nachhaltiges Leben sieht B Lab etwa in unserer zertifizierten Naturkosmetik oder in, unseren guten Beziehungen zu Anbaupartnern. In unserem Kompetenzzentrum Bildung für nachhaltige Entwicklung MUNDI in Schwäbisch Gmünd, weil dort Schulklassen, Vereine und Firmen Nachhaltigkeit direkt erleben können.

Es gibt auch andere Organisationen, die verwandte Ziele verfolgen. Warum fiel die Wahl auf B Corp?

Stefan Siemer: Das Unternehmen Weleda ist weltweit präsent. Dies trifft auch auf B Corp zu. Dahinter steht zudem eine außergewöhnliche Community – sehr engagierte und inspirierende Menschen. Die Kontakte sind bereichernd und erweitern auch unsere Perspektiven. Wir haben uns verschiedene Labels angeschaut, aber besonders wegen der weltweiten Präsenz haben wir uns für diese Zertifizierung entschieden. Die Entscheidung wurde von der Weleda Gruppe und von unserer Nachhaltigkeitsabteilung vorangetrieben. Und von der gesamten Geschäftsleitung sowie dem Verwaltungsrat voll mitgetragen.

Es geht um gesellschaftlichen Mehrwert und ökologische Nachhaltigkeit und nicht um Gewinnmaximierung um jeden Preis.

Nochmal zurück zu den Beweggründen: Warum wollte Weleda sich zertifizieren lassen?

Stefan Siemer: Wir treiben schon immer aktiv eine ökologische und soziale faire Zukunft voran. Doch inzwischen gehen wir Themen wie Nachhaltigkeit noch strategischer und systematischer an. Hier hilft uns der B-Corp Weg sehr. Einerseits ist es ein wirksames Instrument für unser Risiko-Management, weil alle wichtigen Nachhaltigkeitsbereiche durchleuchtet und bewertet werden. Diese Funktion können übrigens alle Unternehmen weltweit kostenlos nutzen. Damit erhöhen wir auch die Transparenz: Die Ergebnisse unserer Prüfung sind auf der Website von B-Corp öffentlich einsehbar. Am Ende der Prüfung bekommen wir einen Punktwert, den sogenannten B-Corp-Score. Das ist unsere wichtigste Nachhaltigkeits-Kennzahl. Ziel ist, dass wir diesen Wert erhöhen, weil wir damit unsere Nachhaltigkeit insgesamt erhöhen. Und schliesslich ist uns der Wirkungs-Aspekt wichtig. Es geht besonders um Nachhaltigkeits-Wirkungen, den Impact.

Was musste Weleda tun, um das Zertifikat zu erhalten?

Stefan Siemer: Sehr viele Fragen aus allen Unternehmensbereichen beantworten und belegen. Am Prozess waren über 100 Mitarbeiter involviert, um alle Informationen für die Zertifizierung zu sammeln und das Projekt zu bearbeiten. Von der Entscheidung bis zur Zertifizierung haben wir etwa eineinhalb Jahre gebraucht. Das Streben nach Gemeinwohl und ökologischem Wohl musste schriftlich und verbindlich im Unternehmenszweck verankert werden. Das ist es jetzt auch – die Weleda Eigentümer haben dies in ihrer Versammlung beschlossen. Darauf baut nun unsere Unternehmensstrategie auf: Wir wollen nicht nur negative Auswirkungen vermeiden, sondern ganz gezielt einen positiven Beitrag leisten.

Wie bringt sich Weleda in die Bewegung ein?

Stefan Siemer: Wir möchten der B Corp-Community aktiv als Vorbild und Beispiel zur Verfügung stehen, gerade in der Schweiz und in Deutschland. Es gibt inzwischen tausende von Unternehmen weltweit, die sich ebenfalls zertifizieren lassen wollen. Um sie zu unterstützen, teilen wir sehr transparent unsere Erfahrungen und unser Wissen mit der gesamten Bewegung. Außerdem halten wir Vorträge, engagieren uns in Arbeitsgruppen und leisten Überzeugungsarbeit auf politische Ebene, indem wir das Gespräch mit Entscheidungsträgern suchen. Ich glaube, dass es ein großes Potenzial gibt, wenn alle auf gemeinsame Ziele hinarbeiten. Wir kennen die wichtigsten Nachhaltigkeitsprobleme in der Welt, und die Regierungen haben sich bereits auf solche Ziele geeinigt. Wenn wir als Bewegung zeigen, dass diese Ziele erreicht werden können und gleichzeitig auch finanziell nachhaltig bleiben, können wir ein starkes Vorbild für andere Unternehmen sein.

Die Kund: innen sind sich immer mehr der Auswirkungen ihres Konsums auf unseren Planeten und die Gesellschaft bewusst. Menschen verlangen vollkommen zu Recht von Marken und Unternehmen, sich darum zu kümmern.

Was habe ich als Naturkosmetik Verwenderin von einem das B Corp-Zertifikat?

Stefan Siemer. Die Kund: innen sind sich immer mehr der Auswirkungen ihres Konsums auf unseren Planeten und die Gesellschaft bewusst. Menschen verlangen vollkommen zu Recht von Marken und Unternehmen, sich darum zu kümmern. Das ist also wichtiger Teil des Produkt-Versprechens und des Marken-Versprechens. Wir als Branchenführerin zertifizierter Naturkosmetik und anthroposophischer Arzneimittel nehmen diese Impulse gern auf, um nochmals unseren Einsatz zu vergrößern. Und gerade weil die Pharmabranche hier noch nicht so weit ist wie die Beautybranche, wollen wir auch in unserem Pharmageschäft ein Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit sein.

Werden die Weleda Produkte ein B Corp-Label tragen?

Stefan Siemer: Wir dürfen das Label auf unseren Produkten verwenden. Zum Beispiel ist das «B»-Logo auf der Verpackung der Weleda Straffende Gesichtspflege abgebildet.

Gibt es auch kritische Stimmen? Auch Firmen, die nicht ökologisch arbeiten sind B Corp zertifiziert.

Stefan Siemer: Firmen die nichts oder fast nichts tun, haben bei B-Corp keine Chance. Das trifft leider noch auf die allermeisten Unternehmen weltweit zu. Wenn konventionelle Unternehmen beginnen und noch nicht super sind, ist das trotzdem eine ermutigende Entwicklung! Wenn wir die Welt wirklich verbessern wollen, brauchen wir eine Veränderung in der Breite, nicht nur bei den Vorreitern. Wir brauchen die Mitarbeit auch der großen Konzerne. B Corp ist keineswegs ein leichtes Schmuck-Label. Die Erfordernisse sind hart, sehr transparent und nachvollzierbar. Jeder Interessierte kann nicht nur die Kriterien, sondern auch die Untersuchungsberichte einsehen. Die härtere Währung ist übrigens: Bleibt das Zertifikat nach der erneuten Prüfung nach drei Jahren erhalten? Wer die Sache nicht ernst genug nimmt, fliegt spätestens dann wieder raus. Auch die Prüfungen selbst werden weiterentwickelt und immer härter, so dass schwarze Schafe zukünftig keine Chance mehr haben sollten.