Abstillen oder weiter stillen?

Wie lange soll ich stillen? Was passiert, wenn das Kind bereits Beikost isst und Zähne bekommt, aber du und dein Baby das Stillen mögen und es weiterhin nach der Brust verlangt? Hebamme Anja Constance Gaca informiert übers Abstillen oder weiter stillen. Gastbeitrag von Anja Constance Gaca

Bedeutet die Beikosteinführung auch gleichzeitig das Abstillen?

Sehr wahrscheinlich wird dein Baby schon mit der ersten Beikost begonnen haben. Damit beginnt auch das Abstillen – allerdings wesentlich langsamer, als du vielleicht dachtest. Vielleicht hattest du dich schon darauf gefreut, deinen Körper wieder etwas mehr „für dich“ zu haben. Und doch stillt dein Baby vielleicht gerade noch häufiger als zuvor. Triff die Entscheidung, wie schnell oder langsam du abstillen möchtest für dich selbst.

Beikost ergänzt nur die Muttermilch

Im ersten Lebensjahr heißen die Babys Säuglinge, weil sie ihre Nahrung hauptsächlich über das Saugen an der Brust oder bei nicht gestillten Kindern an der Flasche aufnehmen. Ein Kind würde sich in der Regel nicht vor seinem ersten Geburtstag alleine abstillen, weil es für seine Entwicklung auf die Muttermilch bzw. Säuglingsnahrung für nicht gestillte Babys angewiesen ist. Zudem haben Babys und Kleinkinder auch in den ersten Jahren ein Saugbedürfnis, was Ihnen hilft zu entspannen, Reize zu verarbeiten oder auch in den Schlaf zu finden. Es ist also ganz normal, dass Babys auch nach dem Beikostbeginn weiter häufig stillen möchten. Gerade zwischen dem siebten und zehnten Lebensmonat passiert auf der Entwicklungsebene sehr viel. Dein Baby wird mobiler und oft sind auch die ersten Zähnchen schon durchgebrochen.

Nächtliches Stillen

Das Baby erforscht seine Umwelt mit allen Sinnen und hat viele neue Erfahrungen zu verarbeiten. Oft wird deshalb in diesem Alter auch der Schlaf wieder etwas unruhiger und dein Kind erwacht häufiger. Durch das nächtliche Stillen findet dein Kind vielleicht wieder gut in den Schlaf, aber für dich sind die nächtlichen Unterbrechungen anstrengend. Nicht selten kommt wohl auch deshalb der Wunsch auf, weniger zu stillen. Doch mit dem Abstillen wird sich nicht unbedingt deine Schlafqualität bessern, weil dein Kind sehr wahrscheinlich trotzdem noch deine Hilfe beim Wiedereinschlafen braucht. Viele Mütter finden es wesentlich anstrengender, das Baby in den Schlaf zu wiegen, als es im Liegen zu stillen. Allerdings kann man sich das Stillen nicht mit dem Partner teilen. Schaut also individuell, was für euch als Familie am besten passt. Abstillen kann eine Möglichkeit sein, sich auch am Tag die Aufgaben rund um die Ernährung eures Babys besser teilen zu können. Vielleicht hilft es aber auch, wenn dein Partner noch mehr andere Aufgaben übernimmt und du dich am Tag häufiger mit dem Baby ausruhen kannst.

Wie lange du stillen möchtest, kannst nur du selbst herausspüren und entscheiden. Mache dir bewusst, dass das Abstillen nach der Geburt die zweite Abnabelung von der Mutter ist. So ist jede Abstillgeschichte individuell. Es gibt keine definierten Regeln, es ist jedoch empfehlenswert, dies schonend und sanft für beide zu machen.

Richtig Abstillen

Beim Stillen werden Hormone ausgeschüttet, die eine entspannende Wirkung auf die Mutter haben. Diese helfen auch, gelassener durch den Babyalltag zu kommen. Damit der Hormonumschwung nicht zu heftig ausfällt, ist es sinnvoll, möglichst langsam abzustillen. Auch für das Baby ist es eine große Veränderung, weshalb du ihm genug Zeit geben solltest, sich daran zu gewöhnen. Für das Kind geht es nicht nur um die Milch, sondern auch die damit verbundene Nähe und den Hautkontakt. Gib deinem Baby beides durch viele Kuscheleinheiten, wenn du dich fürs Abstillen entscheidest. Wenn du dein Kind nach und nach seltener anlegst, wird dein Körper nach und nach weniger Muttermilch produzieren. Bei weniger Nachfrage geht also das Angebot zurück. Wenn du dabei langsam vorgehst und gut auf deine Brust achtest, ist die Gefahr eines Milchstaus gering. Lasse dich aber auch beim Abstillen von deiner Hebamme begleiten, weil jeder Körper anders auf die Veränderungen reagiert.

Tipps zum Abstillen:

  1. Der Körper produziert bei weniger Nachfrage nach und nach weniger Muttermilch
  2. Gehe beim Abstillen schonend vor – keine radikalen Umbrüche
  3. Biete die Brust nicht mehr aktiv an – lehne den Wunsch danach jedoch nicht ab
  4. Teilweise Abstillen – weniger häufig Stillen, das Stillen teilweise durch Beikost ersetzen
  5. Den fehlenden Körperkontakt durch Kuscheln ersetzen

Triff deine persönliche (Ab-)Stillentscheidung

Wenn dein Baby noch unter einem Jahr alt ist oder noch nicht ausreichend Beikost zu sich nimmt, muss die fehlende Muttermilch durch Pre-Nahrung ersetzt werden. Empfohlen ist hier die ab Geburt fütterbare Anfangsnahrung, da Folgenahrungen in der Nährstoffzusammensetzung nicht optimal sind und auch nicht nach Bedarf gefüttert werden dürfen. Lasse dich aber auch in diesem Punkt bezüglich Zubereitung, Fütterung und Hygiene von der Hebamme beraten. Wenn du den Abstillprozess deinem Baby überlässt, wird es wahrscheinlich noch eine ganze Weile dauern, bis es von sich aus dazu bereit ist. Ein Abstill-Alter von zwei bis vier Jahren ist ganz normal. Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt das Stillen neben geeigneter Beikost bis zum zweiten Geburtstag oder darüber hinaus weiterzuführen. Natürlich davon abhängig, ob Mutter und Kind dies möchten.

Wie lange du nun aber tatsächlich stillen wirst, brauchst du weder heute noch morgen festlegen. Schaue von Woche zu Woche, wie es dir mit dem Stillen geht. Wenn man ein zwei Monate altes Baby stillt, ist es fast unvorstellbar, ein zwei Jahre altes Kind zu stillen. Aber genau wie dein Baby wächst, so wächst und verändert sich auch deine Stillbeziehung. Du kannst diese so gestalten, wie es sich für dich persönlich passend anfühlt. Stillgruppen sind eine sinnvolle Unterstützung, weil sich hier Mütter austauschen können, die sich in ganz unterschiedlichen Stillphasen mit ihrem Kind befinden. Und auch von deiner Hebamme erhältst du Unterstützung bei Fragen oder Problemen bis zum Ende der Abstillzeit. Befreie dich von Vorstellungen der Gesellschaft über ein richtiges Abstill-Alter oder ein Langzeitstillen. Du alleine kannst spüren, was gut für dich und dein Kind ist.